Geplantes Medizinalcannabis-Gesetz: Gefahr für Patienten & Rechtsstaat

Geplantes Medizinalcannabis-Gesetz: Gefahr für Patienten & Rechtsstaat

Sep 08, 2025Gabor Daniel

Seit dem Inkrafttreten des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) Anfang April 2024 wurde der Zugang zu medizinischem Cannabis in Deutschland deutlich liberalisiert. Cannabisblüten dürfen nicht mehr ausschließlich mit einem BtM-Rezept verschrieben werden, sondern mit normalen Rezepten, und auch Online-Ausstellung sowie Versand durch Apotheken wurden möglich. 

Nun liegt ein neuer Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vor, der diese Fortschritte zum Teil zurückdrehen will. In diesem Artikel zeigen wir, welche Änderungen geplant sind, weshalb viele Patientinnen und Expertinnen Alarm schlagen – und welche Risiken und juristischen Probleme aus Sicht der Kritik bestehen.

Was sieht der Entwurf vor?

Hier sind die wesentlichen geplanten Änderungen auf einen Blick:

Bereich Geplante Änderung
Ärztliche Verordnung / Arztkontakt Verordnung von medizinischen Cannabisblüten soll nur noch nach einem persönlichen Arzt-Kontakt erfolgen; digitale Erstverschreibungen bzw. ausschließliche Video-/Telemedizin sollen nicht mehr zulässig sein. 
Versand durch Apotheken Der Versand medizinischer Cannabisblüten durch Apotheken soll verboten werden. Apotheken sollen verpflichtet sein, Cannabisblüten persönlich abzugeben und zu beraten. 
Häufigkeit der Arztbesuche Patienten sollen regelmäßig persönlich beim Arzt vorstellig werden, z. B. alle Quartale. 
Beschränkungen Telemedizin & Online-Rezepte Telemedizin, Online-Rezepte und E-Rezepte sollen eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen werden bei medizinischem Cannabis, insbesondere wenn es um Erstverordnungen oder Versand geht. 

 

Kritik & Risiken

1. Erschwerte Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten

  • Für Patient*innen in Regionen ohne nahegelegene Ärzt:innen oder Apotheken erhöhen sich Wegezeiten, Kosten und Stress – besonders für chronisch Kranke oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

  • Wenn Telemedizin und Versand verboten sind, fallen flexible, digitale Versorgungswege weg, die oft schon jetzt genutzt werden.

2. Mehr Bürokratie & Zusatzkosten

  • Häufigere Arztbesuche bedeuten zusätzliche Kosten und organisatorischen Aufwand – nicht nur für Patient*innen, sondern auch für Arztpraxen und Apotheken.

  • Persönliche Beratung in Apotheken bei Abgabe statt Versand bringt Zeitaufwand, der sich ebenso in Kosten und Kapazitätsengpässen niederschlagen kann.

3. Gefahr einer Rückkehr zum Schwarzmarkt

  • Wenn legale Wege zu mühsam, teuer oder schlichtweg unpraktisch werden, könnten manche Patient*innen aus Frustration auf illegale Bezugsquellen zurückgreifen, ohne Qualitäts- und Sicherheitsgarantien.

  • Schwarzmarktprodukte bergen Risiken wie Verunreinigungen, unklare Inhaltsgehalte und Gesundheitsgefahren.

4. Juristische und verfassungsrechtliche Bedenken

  • Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte: Zwänge, bestimmte Verschreibungsarten auszuschließen, könnten in Konflikt kommen mit der ärztlichen Freiheit. 

  • Europarechtliche Probleme: Vorgaben wie Versandverbote oder digitale Einschränkungen könnten gegen den freien Warenverkehr und Dienstleistungen innerhalb der EU verstoßen. 

  • Gleichheit & Diskriminierungsrisiken: Patient*innen mit weniger Ressourcen oder in strukturschwachen Regionen werden benachteiligt gegenüber städtischen Gebieten.

5. Ideologie statt evidenzbasierter Regulierung?

  • Kritiker werfen dem Entwurf vor, dass viele Regelungen nicht auf empirischen Daten beruhen, sondern politisch motivierte Einschränkungen sind.

  • Es fehlt oft eine transparente Kosten-Nutzen-Analyse: Welche Effekte erwartet man durch die Einschränkungen, und sind sie den Eingriffen gerechtfertigt?

Mögliche Alternativen & Empfehlungen

Um die Versorgung sicherzustellen, ohne die Gefahr erheblicher Nachteile, schlagen Expert*innen vor:

  • Beibehaltung der Telemedizin und Versandregelung zumindest als Option – insbesondere für Erstverschreibungen unter bestimmten Bedingungen (z. B. durch spezialisierte Ärzt:innen).

  • Verpflichtende Aufklärung und Beratung, aber mit digitalen oder hybriden Formaten, die Zugang erleichtern.

  • Flexible Regelungen für ländliche Regionen: Telemedizin, Hausbesuche, mobile Apotheken etc.

  • Transparenz bei Gesetzesentwürfen: Veröffentlichung von Studien, Prognosen zu Kosten, Auswirkungen auf Versorgung, Rechtsgutachten.

  • Einbettung von Qualitätssicherung, Sicherheit und Patientenschutz in die Prozesse – ohne unnötige Hürden.


Häufige Fragen (FAQ)

1. Was ist das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG)?
Das MedCanG ist ein deutsches Bundesgesetz, in Kraft seit dem 1. April 2024, das die medizinische Verwendung von Cannabis in Deutschland regelt. 

2. Warum wird der Entwurf kritisiert?
Weil einige Vorschläge (persönlicher Arztbesuch, kein Versand, Verbot von Telemedizin) die bereits bestehenden Verbesserungen wieder aufheben könnten, was insbesondere Patient*innen in entlegeneren Regionen schadet. Außerdem gibt es rechtliche Bedenken hinsichtlich Grundrechten und EU-Recht. 

3. Ab wann könnten Änderungen gelten?
Der Entwurf steht noch zur Debatte. Ob und wie die Vorschläge übernommen werden, hängt von parlamentarischen Abstimmungen, möglichen Überarbeitungen und Begutachtungen ab. Der ursprüngliche Referentenentwurf wurde zwischenzeitlich zurückgezogen, laut Berichten. 

4. Wie können Patient*innen sich jetzt vorbereiten oder informieren?
Patient*innen sollten ihren behandelnden Ärzt:innen und Apotheker:innen ihre aktuelle Versorgungssituation schildern, auf mögliche Veränderungen achten und gegebenenfalls Verbände und Patientenorganisationen kontaktieren. Auch Informationen über bestehende Rechtslage, Telemedizin-Angebote und Online-Rezepte nutzen.


Fazit

Der aktuelle Entwurf zur Reform des Medizinalcannabisgesetzes birgt erhebliche Risiken für Patientinnen und Patienten sowie den Rechtsstaat. Statt die medizinische Versorgung zu verbessern, könnten durch vorgeschlagene Regeländerungen Zugangsbarrieren, zusätzliche Kosten und gesundheitliche Nachteile entstehen. Datenschutz, Freiheit der Heilberufler*innen und gleichberechtigte Chancen auf Versorgung sollten gewahrt bleiben.



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